Bonn, 21.06.2024 Anlässlich des diesjährigen Tags der Seefahrer*innen am 25. Juni rückt die Internationale Maritime Organisation (IMO) Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf See in den Vordergrund. "Das ist ein dringend notwendiges Signal angesichts der wiederholten Angriffe auf zivile Frachtschiffe im Roten Meer durch Huthi-Rebellen", so Dr. Sabine Ferenschild, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim SÜDWIND-Institut. Allein im Juni sind zwei Schiffe von Rebellen angegriffen worden. Dabei ist ein Matrose schwer verletzt worden, bei einem weiteren Angriff konnte ein Besatzungsmitglied nicht evakuiert werden und gilt als vermisst. Da das Schiff nach jüngsten Berichten mittlerweile gesunken ist, gibt es inzwischen bereits vier Todesopfer durch Schiffsattacken im Roten Meer in den letzten drei Monaten.
- Die Attacken machen deutlich, wie massiv gefährdet Sicherheit und Gesundheit von Seeleuten sind. Weltweit arbeiten mehr als 1 Mio. Menschen in der Schifffahrt, viele von ihnen in der Handelsschifffahrt. Sie transportieren Rohstoffe und Produkte für die globalen Lieferketten und sichern so weltweit die Versorgung. Die Beschäftigten arbeiten oft monatelang auf den Schiffen, ohne zwischendurch nach Hause zurückkehren zu können. Die Schichten sind lang und die medizinische Versorgung sowie die Möglichkeiten für Bewegung und Zugang zu ausreichender Ernährung sind mitunter sehr eingeschränkt. Die realen Arbeitsverhältnisse stehen damit konträr zu den Anforderungen des Seearbeitsübereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Diese verlangen u.a. die Einhaltung von Ruhezeiten an Bord, kostenlose medizinische Versorgung an Bord und an Land sowie angemessene Vorkehrungen zur Verhütung von Unfällen und Gefährdungen für die Seeleute.
- Eine besonders vulnerable Gruppe stellen Frauen dar, mit ca. 2 % eine Minderheit in der Branche. Laut einer Studie von Wista International und der IMO erleben ca. zwei Drittel aller Frauen Belästigung durch männliche Kollegen oder sind Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Rund 25 % berichteten, Opfer oder Zeugin sexualisierter Gewalt gewesen zu sein. Darüber hinaus werden Frauen oft psychisch unter Druck gesetzt und in ihren Fähigkeiten massiv unterschätzt.
Wenn über Gesundheit und Sicherheit auf See gesprochen wird, geht es daher neben der besonders dringlichen Situation auf dem Roten Meer um weitere akute Missstände in der Branche. Besonders schlecht ist die Situation für Seeleute auf Schiffen, die unter sogenannten Billigflaggen fahren. „All diese Missstände sind seit langer Zeit bekannt, dennoch finden die Fehlentwicklungen in der Branche noch viel zu wenig Beachtung in der Öffentlichkeit,“ so Dr. Sabine Ferenschild. „Im vergangenen Jahr konnten erst die hart umkämpften Streiks der LKW-Fahrer in Gräfenhausen Missstände im Straßengüterverkehr an die Oberfläche bringen. Wenn Unternehmen sich nun im Rahmen des Lieferkettengesetzes um menschenrechtliche Risiken bei Transport und Logistik bemühen, müssen sie dringend auch den internationalen Schiffstransport in den Blick nehmen. Denn auch hier wissen wir schon lange, dass die Zustände verheerend sind. Ein erster Schritt für alle Reedereien wäre, für die Dauer der Gefährdung im Roten Meer alle Schiffe konsequent umzuleiten und das betroffene Seegebiet zu meiden. Die Sicherheit der Seefahrer*innen geht vor!”
Im Rahmen der Arbeit von SÜDWIND zu menschenrechtlichen Risiken im Transport- und Logistiksektor wird die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick genommen -. vom Transport im Produktionsland über den internationalen Schiffstransport bis hin zum Transport und der Lagerhaltung in Europa. Mehr Infos in folgenden Publikationen:
- Studie: Bitte wenden! Menschenrechtliche Risiken in der Transport- und Logistikbranche
- Factsheet: Vorfahrt für Menschenrechte - Menschenrechtsverletzungen beim Transport von Waren
- Podcast: Menschenrechtliche Risiken im Transport- und Logistiksektor
- Interaktive Weltkarte: Menschenrechtliche Risiken in der Transport- und Logistikbranche
- Blog: https://suedwind-institut.blogspot.com/2024/06/sicherheit-und-gesundheit-von-seeleuten.html
Kontakt:
Dr. Sabine Ferenschild Irene Knoke
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